Antikes Erbe Canaan Dog

Autor: Uwe Harer

Antikes Erbe Canaan Dog

Die Nachfrage nach gesunden Hunden hält ungebrochen an, weshalb sich immer mehr Menschen für urhündische Rassen entscheiden. Ein solcher Vertreter ist der Canaan Dog (Kanaan Hund). Der Kanaan Hund gehört genetisch zur Gruppe der Village Dogs, die schon tausende von Jahren alt sind. Diese gewissermaßen antike Hunderasse zeichnet sich neben hoher Wahrnehmungsweite und tiefer Bindungsfähigkeit besonders durch eine enorme Verhaltensbandbreite aus. Robustheit, Gesundheit und starke Ressourcenorientierung runden das Profil ab. Weltweit soll es gemäß Expertenmeinung etwa 3.000 registrierte Kanaan Hunde geben, inklusive der freilebenden wird die Anzahl auf 5.000 geschätzt. Doch auch wenn die Seltenheit und die Besonderheit der Rasse attraktiv scheinen, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Haltung oder Zucht von Kanaan Hunden spezielle Anforderungen bestehen und Kompetenzen entwickelt werden müssen.

Gesundheit

Der Kanaan Hund kann als eine überdurchschnittlich gesunde Rasse angesehen werden, wenn bei Elterntieren oder davon abstammenden Welpen rassespezifischen Erkrankungsrisiken durch genetische Tests oder Gesundheitsuntersuchungen ausgeschlossen worden sind. Es reicht hierfür nicht aus, die derzeit im allgemeinen geforderten Untersuchungen auf Augenerkrankungen, Hüft- oder Ellbogendysplasie durchzuführen, da diese bei der Rasse Kanaan Hund gemäß den statistischen Erhebungen der OFA (Orthopedic Foundation for Animals) nur selten vorkommen. Amerikanische Untersuchungen der OFA verweisen mit ihren Statistiken von 2018 bis 2022 als gesundheitliche Hauptprobleme auf die Degenerative Myelopathie oder auf die Schilddrüsenerkrankung Autoimmun-Thyreoiditis. Bei diesen beiden Erkrankungsformen sind andere Hunderassen weniger belastet und gesünder. Eine allgemeine Aussage, dass Kanaan Hunde gesünder sind als andere Rassen, kann von uns deshalb so pauschal nicht bestätigt werden.

Wie sind die Gesundheitswerte der Kanaan Hunde im Vergleich mit anderen Rassen einzuordnen? In Zahlen der OFA rangiert der Kanaan Hund im Vergleich mit 59 anderen Rassen bei Degenerativer Myelopathie weit vorne auf Rang 25. Die Erhebungen der OFA weisen aus, dass bis Ende 2019 nur 57,1% der auf Degenerative Myelopathie getesteten Kanaan Hunde davon frei und gesund waren (152 von 266). Genetische Merkmalsträger ohne Ausbruch der Erkrankung (dm-Träger) waren 37,2% der getesteten Hunde (99 von 266). Ernsthaft erkrankt waren 5,6% als dm-Risikoträger (15 von 266). Es lässt sich ableiten, dass in 2019 zusammengerechnet 114 von gesamt 266 Kanaan Hunden der amerikanischen Testpopulation gesundheitlich belastet waren, was einem Prozentwert von fast 43% entspricht. Am zweitschlimmsten nach der Degenerativen Myelopathie wird die autoimmune Schilddrüsenerkrankung bewertet. Im Vergleich mit anderen 115 untersuchten Rassen lagen Kanaan Hunde auf Rang 37. Gemäß der amerikanischen OFA-Erhebung waren 87% gesund (168 von 193).

Aus züchterischem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob mit degenerativer Myelopathie (dm) belastete Trägertiere in der Zuchtpopulation belassen werden sollen oder nicht. Durch den Zuchtausschluss der dm-Trägertiere könnte der Verbreitung der Erkrankungsrisiken Einhalt geboten werden. Andere Experten verweisen auf das Risiko, dass dadurch viel wertvolles Erbmaterial verlorengehen könnte. Bisherige Zuchtvorschriften der OFA oder der nationalen Vereine oder Verbände sprechen sich deshalb für eine kontrollierte Weiterzucht mit dm-Trägertieren aus. Wenn genetische dm-Trägertiere im Zuchtpool verbleiben, dürfen sie nach unserer Auffassung nur mit dm-freien Tieren verpaart werden, um dieses Erkrankungsmerkmal nicht weiter zu fördern und zukünftig aus der Rasse auszuzüchten. 

Familienhund, Haushaltsgefährte oder „Rudelmitglied“

Oft ist zu lesen, dass Kanaan Hunde gute Familienhunde sein sollen und innerhalb ihres Rudels einen guten Umgang mit Kindern und Haustieren zeigen würden. Hierbei ist der Begriff der Familientauglichkeit genauer zu definieren. Was ist Familie? Nur die engere Haushaltsgemeinschaft? Alle Mitbewohner oder nur die, welche täglich ein- und ausgehen? Was ist mit großen Kindern, die ab und an zu Besuch kommen und eigentlich der Herkunftsfamilie zuzurechnen sind, aber schon woanders leben? Was ist mit Besuchskindern? Was mit Freunden des Hauses? Ganz klar bewacht der Kanaan Hund sein Territorium. Und er beschützt sein Rudel. Und hier wird es differenzierter. Der Kanaan Hund betrachtet sein Rudel manchmal etwas anders als der Mensch.  Fremde Katzen oder Eichhörnchen gehören beispielsweise nicht dazu. Nach unserer Beobachtung gehören die täglich anwesenden erwachsenen Haushaltsmitglieder und alle Kinder, alle Haustiere und auch Nutztiere wie Hühner oder Schafe dazu. Bei Mehrhundehaltung gehören auch die anderen Hunde dazu, auch wenn sich im gemeinsamen Haushalt lebenden Hunde nicht immer gut verstehen müssen. Bei erwachsenen Kindern, die auswärts wohnen und nur tageweise zu Besuch kommen, ist es schon anders. Es kann noch funktionieren, dass der Kanaan Hund sie duldet. Es kann aber auch sein, dass er mit einem deutlichen Warnbellen anzeigt, dass diese großen Kinder für ihn Fremde sind. Besuchskinder können ebenfalls geduldet werden, sind aber unter genauer Beobachtung. Kanaan Hunde verziehen sich hierzu in eine Ecke und beobachten meist unbemerkt was vor sich geht. Dies gilt auch für Freunde der Familie.

Bei Handwerkern, Müllwerkern oder dem Postboten muss schon genauer aufgepasst werden, dass diese nicht unvermittelt scharf angebellt werden. Darüber hinaus sind die meisten Kanaan Hunde im Innenbereich im täglichen Alltag eher zurückhaltend. Nach unserer Erfahrung hat das Etikett der Familientauglichkeit also nur eine eingeschränkte Gültigkeit, gegebenenfalls für den inneren Kern eines Haushaltes und eventuell noch für Erweiterungen, wenn die betroffenen Akteure den Hund im Einzelfall respektvoll behandeln und ihm durch ausreichend Sozialisierung und artgerechte Ausbildung eine Gelegenheit zur sicheren Bindung ermöglicht werden konnte. Wir befürworten den Begriff „rudeltauglich“, weil dieses Etikett besser abbildet, wo ein Kanaan Hund gut integrierbar ist.

Eine Rasse für Individualisten

Kanaan Hunde sind für Kenner geeignet – aber nicht zwangsweise für Leute mit Hundeerfahrung in anderen Rassen – sondern in Erfahrung mit Führung, Körpersprache und Beherrschung der eigenen Emotionalität. Hundeanfänger können durchaus „kanaanfähig“ sein, wenn sie ausgeprägte Empathie besitzen, nicht unkontrolliert aggressiv werden und vor allem nicht nachgiebig sind. Positive Vorerfahrungen mit Kanaan Hunden erleichtern den Umgang. Grundsätzlich wird von verschiedensten Experten für alle Kanaan Hunde viel Sozialisierung empfohlen, egal wie temperamentvoll sie sind. Damit ist ein laufender Prozess gemeint, der nicht nur ein paar Wochen in der Welpengruppe einer Hundeschule, sondern mit manchen Hunden viele Jahre Sozialisierung und Ausbildung durch einen Hundeausbilder und Trainer, der die Kanaan Hunde kennt, umfasst, weil bei ihnen von einer Lebenserwartung bis zu 17 Jahren ausgegangen werden kann. 

Wie bei anderen Hunderassen auch gibt es bei beiden Geschlechtern Vertreter aller Extreme in der Verhaltensbandbreite. Die Skala reicht von ängstlichen bis zu aggressiven Hunden, sie geht von introvertiert bis extrovertiert. Es gibt hochgradig misstrauische bis hin zu stürmisch freundlichen Exemplaren, es gibt Hunde mit ganz schneller Erregbarkeit genauso wie solche mit stoischer Gelassenheit. Es gibt sowohl sehr unsichere als auch sehr nervenstarke Vertreter. Und auch in dieser wildhündischen Rasse gibt es Hunde, die sich bei Stress regelrecht in den Konflikt reinwerfen und solche, die erstmal in der Flucht ihr Heil suchen und versuchen Orientierung zu gewinnen. Es gibt sehr freiheitsliebende Vertreterinnen und auch sehr bindungsfähige und loyale Typen. All das kann nicht pauschaliert werden, allerdings mit gewissen Schwerpunkten im Alltag auftauchen. 

Kanaan Hunde sind ein antikes Erbe und würdige Vertreter einer seltenen alten Rasse. Genauso wie sie zum einen selbständig zurechtkommen und in der freien Natur noch wildhündisch überleben können, sind sie andererseits zu tiefer Bindung, starker Personenorientierung und loyaler Gefolgschaft fähig. Wer als Besitzer für diese eigenwillige und selbständige Rasse Bodenständigkeit gepaart mit Ausdauer mitbringt, kann mit Kanaan Hunden viel Freude haben. Wer darüber hinaus bereit ist, sich voll und ganz auf die ureigenste Wesenhaftigkeit seines Kanaan Hundes einzulassen und auch bei Problemen in einem permanenten Prozess des Miteinander langfristig drin bleibt, kann mit großer Gefolgschaft belohnt werden.

Uwe Harer, Inhaber Zuchtstätte Canaan Gen – Gesundheitsforschung, Verhaltensbeobachtung und Erhaltungszucht authentischer Kanaan Hunde zusammen mit seiner Ehefrau Jacqueline Harer. Kooperierender Forschungskennel der Universität Jena, Kooperationszüchter des DAZ (Deutsches Assistenzhunde Zentrum), Erhaltungszucht mit Verhaltensbegutachtung, Verwendungstests, Präventionsgenetik und rassespezifischer Gesundheitstransparenz zur natürlichen Arterhaltung, Dipl. Wirt.-Ing. (Universität Karlsruhe). Mit unserem Namen Canaan Gen verweisen wir auf die aus unserer Sicht unerlässliche hohe Bedeutung moderner Genetik mit Möglichkeiten zu DNA- und Gesundheitsuntersuchungen.

Links: Canaan Dog Canaan Dog Eu Assistenzhunde Zentrum White Nobless

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